Messen und Kongresse im Jahr 2020
Das Jahr 2020 ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Vor allem durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie ist dieser Tage vieles anders als in anderen Jahren. Insbesondere das strikte Verbot von Großveranstaltungen verhindert dieses Jahr viele große Events. Vom Festival bis zum Volksfest, viele bedeutende Ereignisse bleiben auf der Strecke. Man denke nur an die OMR, die unzähligen Musikfestivals oder das Oktoberfest. Menschenmassen nah bei einander sind in Corona-Zeiten undenkbar. Aber bedeutet das wirklich, dass es keine Großveranstaltungen geben kann? In unserem Blogbeitrag betrachten wir das Thema “Großveranstaltungen in Corona-Zeiten” und zeigen an zwei Beispielen, wie es trotz Einschränkungen gelingen kann, Messen und Kongresse abzuhalten.
Plötzlich ist alles anders
Wie stark ein winziges Virus eine Gesellschaft, ja eine ganze Bevölkerung treffen und lähmen kann, erfahren wir seit inzwischen fast sieben Monaten. Die schiere Dauer der Pandemie lässt viele Menschen inzwischen vom “new normal” reden, einer neuen Normalität, in der die Einschränkungen als dauerhafter Begleiter den Alltag mitgestalten. Die Haltung vieler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bereiche hat sich, im Hinblick auf den Umgang mit den Einschränkungen, in den letzten Monaten jedoch gewandelt. War im Frühjahr in der Politik und Bevölkerung noch eine abwartende Haltung zu beobachten, als hoffte man, dass der Sturm einfach vorüberziehe, wird heute aktiv mit den Einschränkungen umgegangen. Die Menschen erobern sich im Rahmen der “AHA-Regeln” ihre Realität zurück, so gut es geht. Das geht sogar soweit, dass Großveranstaltungen wie Messen und Kongresse wieder ausgetragen werden und das auf teilweise neuartige Weise.
Messen im Jahr 2020
Auch wenn Volksfeste, wie das Oktoberfest, dieses Jahr nicht stattfinden können, gilt das nicht automatisch für alle großen Veranstaltungen. Messen und Kongresse beispielsweise können in eingeschränkter Form auch digital abgehalten werden. Das bietet nicht nur Hürden, sondern sogar Chancen und macht die ein oder andere Großveranstaltung für die Besucher sogar noch interessanter. Anstatt sich mit Massen an TeilnehmerInnen durch überfüllte Messehallen zu quetschen, können viele Messe-Interessierte dieses Jahr von rein digitalen Angeboten profitieren. Bequem vom Schreibtisch oder der Couch aus dem ‘Keynote Speaker’ an den Lippen kleben oder per virtuellem Rundgang die verschiedenen Stände besuchen, ohne sich wirklich zu bewegen – all das ist bereits Realität. Die Themen Hybridität und Digitalisierung haben durch die aktuelle Situation einen enormen Bedeutungsschub erfahren. Die Realität zwingt viele Veranstalter einige Prozesse zu beschleunigen und teils neue Wege zu gehen. Was das bedeutet und wie solche Messen aussehen können, wollen wir euch an zwei Beispielen zeigen, die erst vor wenigen Tagen stattgefunden haben: Die Bocom und die gamescom.
Die Bocom – eine grenzüberschreitende Konferenz
Inhaltlich haben die Bocom und die gamescom nicht viel gemeinsam, was sie eint ist aber ihre digitale Ausrichtung und die simple Tatsache, dass sie dieses Jahr stattgefunden haben, trotz Pandemie. Was hat es auf sich mit den beiden Veranstaltungen?
Die “Bocom – Experience Borderless Communication” ist eine Konferenz, die vom GCB (German Convention Bureau) und dem Fraunhofer Institute for Industrial Engineering ins Leben gerufen wurde und dieses Jahr erstmalig stattgefunden hat. Laut Angaben der Veranstalter ist es die erste Veranstaltung für grenzenlose bzw. grenzübergreifende Kommunikation. Besonderes Merkmal der Bocom ist die räumlich-verteilte Organisation des Events. Ausgehend vom zentralen Austragungsort Berlin, findet die Messe gleichzeitig in Amsterdam, Essen und Wien statt. An die jeweiligen Standorte werden die Ereignisse auf der Hauptbühne live übertragen. Außerdem werden die Städte mit ihren jeweiligen Experten regelmäßig selbst in das Hauptprogramm eingebunden. Inhaltlich setzt sich die Veranstaltung mit den Themenfeldern Mobilität, Sprache, Kommunikation, Kultur und Arbeitsumgebung auseinander. Dabei steht der Ansatz Grenzen zu überwinden stets im Mittelpunkt. Es werden neue Technologien und Arbeitsweisen besprochen und Ideen zum Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche ausgetauscht. Die Bocom steht überdies auch deshalb im Fokus dieses Beitrags, weil wir als Smart WG die Gelegenheit hatten gemeinsam mit Prof. Dr. Daniel Michelis an der Konferenz teilzunehmen und diese sogar als Sprecher aktiv mitzugestalten.
gamescom in a nushell
Die gamescom ist seit vielen Jahren eine feste Größe in der gaming-Szene und erfreut sich an jährlich steigendem Interesse. Seit über zehn Jahren findet die Videospielmesse in Köln statt und ist insbesondere durch die Interaktion mit den Besuchern und wegen der lebendigen Atmosphäre bekannt. Gemessen an Besucherzahl und Ausstellungsfläche ist die gamescom sogar die weltweit größte Videospielmesse. Thematisch ist die Computerspielemesse von Haus aus verwandt mit digitalen Themen. Schon 2019 wurde die „Opening Night“ beispielsweise mit einem, zum großen Teil, digitalen Programm gefüllt. Die Eröffnungsnacht ist eine der wichtigsten Elemente der gamescom und wurde, wie erwartet, dieses Jahr sogar rein digital mit Trailern und zugeschalteten Gästen gestaltet. Neben der Eröffnungsveranstaltung ist die Messe gekennzeichnet durch die Nähe zu den Spieleentwicklern, die ihre Videospiele vor Ort vorstellen, der Möglichkeit Spiele vor Ort zu testen und als einer der Ersten einen neu erschienenen Titel auszuprobieren, sowie der Möglichkeit sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. All diese Bereiche mussten dieses Jahr ins Digitale übersetzt werden und dafür wurden verschiedene Formate genutzt.
Digitale Formate
Die Möglichkeiten Konferenzen und Messen digital erlebbar zu machen enden nicht mit der Live-Übertragung der Hauptbühne und einem vorab hochgeladenen “Follow-me-around” im Videoformat. Im Gegenteil, die Veranstalter sind dieses Jahr sehr kreativ geworden und haben neue Möglichkeiten genutzt, um die Besucher so aktiv wie möglich mit einzubeziehen. Im Folgenden wollen wir euch eine Übersicht über einige Methoden geben, die während der Bocom und der gamescom angewandt wurden.
Podiumsdiskussion mit Live-Chat
Der erste Ansatz ist eigentlich nicht neu. Was für Streamer auf Plattformen wie Twitch Alltag ist, kann auch im klassischen Fernsehen immer häufiger beobachtet werden: Eine Diskussionsrunde, die live übertragen und durch die Fragen der Zuschauer mitgestaltet wird. Bei der Bocom war neben wenigen Ausnahmen die Mehrzahl der Teilnehmer digital anwesend und verfolgte die Ereignisse im Livestream. Fragen und Einwürfe konnten über die konferenzeigene Plattform geäußert werden und wurden anschließend von der Moderatorin in das Gespräch vor Ort eingebracht. Das gleiche Prinzip war auf der gamescom am zweiten Tag der Messe zu beobachten. In dem Format “Debatt(l)e Royale” waren Vertreter aller großen Parteien eingeladen über die Bedeutung und die Zukunft von (Video)spielen in der Gesellschaft und insbesondere in Schulen zu diskutieren. Auch hier hatten die Zuschauer die Chance live Fragen einzusenden. Der Vorteil dieses Formats ist, dass passende Fragen und Einwände aus dem Publikum noch während der Unterhaltung ergänzend eingebracht werden können und somit der Gesprächsfluss nicht unterbrochen wird. Im klassischen Podiumsformat werden Fragen aus den Zuschauerreihen dagegen eher im Anschluss gestellt.
Digitale Gesprächsräume
Ein wichtiger Teil von Konferenzen ist der Ideenaustausch und die Möglichkeit ungezwungen miteinander ins Gespräch zu kommen, kurz: zu Netzwerken. Durch die Übertragung eines Livestreams allein, ist diesem Bedürfnis noch keine Rechnung getragen. Doch auch für diesen Zweck gibt es kreative Lösungsansätze. Die gamescom hat gleich eine ganz eigene, digitale Welt kreiert, um dies zu ermöglichen, aber dazu mehr im nächsten Absatz. Gesprächsräume im Klassischen Sinne wurden vorbildlich auf der Bocom umgesetzt. Ausgehend von der eigenen, digitalen Visitenkarte, kann jeder Konferenzbesucher über das Onlineportal gezielt nach einem Redner oder Teilnehmer suchen und direkt Kontakt mit ihm aufnehmen. Das ermöglicht den privaten Austausch von Ideen und ggf. Kontaktdaten abseits der großen, digitalen Bühnen. Darüber hinaus ist auf der Bocom eine sogenannte “Speakers Corner” eingerichtet. Die meisten Gäste, die auf der Bühne in persona interviewt werden, sind anschließend in einem separaten Bereich, der digitalen “Speakers Corner”, für alle Konferenzteilnehmer digital erreichbar. In einem zeitlich begrenzten Livechat können alle Teilnehme so ihre Fragen noch einmal ungefiltert und direkt an den jeweiligen Experten richten.
Virtuelle Messehallen
Insbesondere große Messen leben von der Interaktion der Besucher und Aussteller miteinander. Das Erkunden der verschiedenen Stände, das persönliche Gespräch mit den Menschen hinter den Tischen oder einfach das ungezwungene Spazieren von Halle zu Halle. Dieses Gefühl lag den Veranstaltern der gamescom offenbar besonders am Herzen. Einen besonderen Platz, so berichten mehrere wiederkehrende Besucher, nimmt der Bereich der Indie-Spieleentwickler ein. Die Indiegames-Messehalle wurde auf ganz besondere Weise in die digitale Welt übertragen. In der sogenannten “Indie Arena Booth Online” konnte sich jeder Messeteilnehmer mit einem eigenen digitalen Avatar, wie in einem eigenen kleinen Spiel, fortbewegen. Diese Applikation funktioniert wie ein Browsergame und ermöglicht es in einer kreativ gestalteten, digitalen Umgebung das Messe-Gefühl live nach Hause zu holen, nur ohne lange Schlangen und überfüllte Hallen. In der “Indie Arena Booth Online” konnte man mit anderen “Spielern”, also anderen Besuchern, interagieren und chatten, aber auch mit den jeweiligen Entwicklern der Spiele. Die gamescom hat es damit geschafft den persönlichen und individuellen Kontakt zu den Entwicklern in einem gewissen Rahmen zu wahren, genauso wie die Möglichkeit eines ungezwungenen Austauschs, aber mit dem großen Vorteil nicht stundenlang anstehen zu müssen.
Ausnahme oder neuer Standard?
Alles in allem hat das Messejahr 2020 schon jetzt gezeigt, was heute, dank ausgefeilter technischer Lösungen möglich ist. Die technologischen Grundlagen für einen weitreichend digitalen Messebesuch sind also vorhanden. Die Einschränkungen der Pandemie haben in diesen zwei Beispielen wie ein Schub in Richtung Digitalisierung von Großveranstaltungen geführt, anstatt die Events komplett zu verhindern. Was bedeutet das aber für die Zukunft? Wenn es doch in relativ kurzer Zeit schon ziemlich gut funktioniert, brauchen wir dann für die Zukunft überhaupt noch die physische Komponenten, also einen tatsächlichen Besuch vor Ort? Viele Aussteller und Teilnehmer meinen: ja. Der reale Kontakt mit echten Menschen sei nach wie vor nicht zu ersetzen durch eine rein digitale Partizipation. Auf der anderen Seite hat dieses Jahr auch gezeigt, dass es rein digital funktionieren kann. Die Erkenntnisse aus diesem Jahr werden mit Sicherheit in der Zukunft relevant sein. Und wie sich die Nachfrage nach digitalen Tickets gegenüber normalen Tickets verhält bleibt abzuwarten. Bei einer konsequenten Umsetzung und einem hohen technischen Niveau könnten Faktoren wie Anreisekosten, CO2-Fußabdruck, eingeschränkte Mobilität oder das Erschließen ganz neuer Besuchergruppen eine bedeutende Rolle in zukünftigen Messen und Konferenzen spielen. Nicht zuletzt deshalb wird heute immer mehr von hybriden Veranstaltungen gesprochen.
Wir bleiben auf jeden Fall gespannt, welche Veränderungen nachhaltig bestand haben werden. Was meint ihr?
Bleibt sicher,
Ben