Ein halbes Jahr in der Smart WG

Throwback zum 01.04.2020. Berlin befindet sich im Shutdown. Ausgangssperren und Kontaktverbote dominieren die Nachrichtensendungen. Von jetzt auf gleich steht alles still. Zum Zeitpunkt der höchsten Neuinfektionen in Deutschland beginnt der April und damit auch ein neues Semester. Das Semester, in dem ich in die Smart WG ziehen sollte. Aber plötzlich scheint meine Zeit in der berliner WG auf wackligen Beinen zustehen. Aller Befürchtungen zum trotz ebbt nach dem Hoch im April die Welle der Neuinfektionen in den darauffolgenden Wochen ab. Ich konnte endlich in die Smart WG ziehen. Und damit begann eine aufregende Zeit mit vielen neuen Erfahrungen. In diesem Blogbeitrag möchte ich gern zurückschauen auf eine aufregende Zeit und davon berichten, was es heißt in der Smart WG zu leben.

Ein Holpriger Start

Wer hätte Anfang dieses Jahres gedacht, dass sich die Welt nur drei Monate später im Ausnahmezustand befindet? Für viele hat das Aufkommen des Coronavirus tiefe Narben hinterlassen. Aber nicht nur Restaurantbesitzer und Geschäftstreibende sind von den Einschränkungen betroffen. Vor allem Studenten hatten und haben mit den Umständen zu kämpfen. Viele verloren ihren Nebenjob, andere finden keinen Praktikumsplatz. Zusagen zu Festanstellungen oder Praktika wurden schlagartig zurückgezogen. Diese Realität hat viele meiner Freunde und Kommilitonen unerwartet getroffen. Ich hatte damals viel Glück, denn trotz aller Einschränkungen konnte ich mein Praktikum wie geplant antreten, wenn auch zunächst nur digital. In die Smart WG zu ziehen war zu diesem Zeitpunkt undenkbar, zu groß war die Ungewissheit, was da gerade über uns hereinbricht. Dabei hatte ich mich schon extrem gefreut meine ehemaligen Kommilitonen Thanh und Jan wieder zu treffen. Statt einem Wiedersehen mit Umarmung und einem gemeinsamen Foto für den Blog gab es lediglich eine Begrüßung auf Distanz und eine kurze Selbstvorstellung. Trotz dieses holprigen Starts konnte ich im Mai dann aber endlich in die Smart WG ziehen. Die Vorfreude auf das Wiedersehen war verbunden mit großer Aufregung und der Frage, was mich wohl inmitten der Hauptstadt erwarten würde.

Alles neu

Raus aus der verträumten Kleinstadt und rein in die größte Metropole Deutschlands. Ich kann nicht leugnen, dass das einem kleinen Kulturschock nahe kam. Insbesondere die zentrale Lage der Smart WG hat diesen Effekt noch befeuert. Berlin mit seinen vielen Menschen, hupenden Autos, unzähligen Rad- und Rollerfahrern war anfangs schlichtweg überfordernd. Verglichen mit der stoischen Ruhe und Unaufgeregtheit einer Kleinstadt, wirkte Berlin wie ein Feuerwerk aus ständig neuen Eindrücken. Auch die Wohnsituation war plötzlich eine andere. Von einer kleinen Wohngemeinschaft im Neubaublock zur smart ausgestatteten Altbauwohnung. Hier fiel mir die Umstellung aber deutlich leichter. Kein Wunder. Es ist erstaunlich wie schnell man sich an die allgegenwärtige Präsenz von kleinen, digitalen Unterstützern gewöhnen kann. Hatte ich Anfang Mai noch kaum Erfahrungen mit ‘Smart Home’ – Technologien, so waren sie im Juni schon selbstverständlich für mich. Wie schnell hatte ich mir abgewöhnt einen Haustürschlüssel mitzunehmen, wenn ich die Wohnung verlassen habe oder Lichtschalter zu benutzen. Dagegen ist es fast zum Alltag geworden Daten jedweder Art digital abzufragen. Sensoren in der Dusche, der Heizung oder dem Rauchmelder erzeugen unaufhörlich Daten, die jederzeit abgerufen werden können. Viele Bereiche des Lebens werden damit in Zahlen übersetzt – ein Komfort, der dazu verleitet den Alltag in der Smart WG ein wenig abstrakter zu betrachten.

Co-Living statt Co-Existing

Aber nicht nur mein Verhältnis zu smarten Technologien hat sich verändert. Während der letzten Monate konnte ich eine neue und ungeahnt förderliche Art des Zusammenlebens erfahren. Den meisten Studierenden ist es wohlbekannt: Das Leben in einer Wohngemeinschaft. Wichtig ist es dabei vor allem miteinander gut auszukommen. Ob Zweckgemeinschaft oder freundschaftliches Verhältnis, zu Hause möchte man sich wohl fühlen. Das ist besonders wichtig, wenn sogar im Homeoffice gearbeitet wird. Die Wohnung wird dann unweigerlich zu einem Coworking Space mit Betten und Bädern. Kommt man menschlich überein, bietet dieses Wohnverhältnis aber einige Vorteile. In der Smart WG habe ich regelmäßig vom Zusammenleben mit meinen Mitbewohnern profitiert, sowohl auf sozialer, als auch auf fachlicher Ebene. Das Generationen-Konzept ist besonders beim erstmaligen Zurechtfinden besonders hilfreich. Die Smart WG ist in der Regel in jedem Semester mit einer neuen Konstellation aus Studierenden besetzt. Neuankömmlinge profitieren durch die Erfahrungen der Bewohner, die bereits ein Semester in der Wohnung verbracht haben. Dieser fließende Übergang erleicherte es mir ungemein in Berlin anzukommen. Von ganz praktischen Tipps zum besten Supermarkt in der Nähe, über Informationen zu Roller- oder Radleihanbietern bis zu Freizeitempfehlungen war alles dabei. Gemeinsame Ausflüge in den Kiez und diverse Restaurantbesuche haben mein Ankommen zusätzlich erleichtert.

Arbeiten unter Gleichgesinnten

Aber auch fachlich hat das Zusammenleben in der Smart WG einige Vorteile. Kreative Ideen entstehen nicht immer am Schreibtisch und inspirierende Gespräche finden nicht nur in Bars oder Cafés statt. Das gemeinsame Wohnen und Arbeiten in dieser Projekt-WG hat das für mich deutlich gemacht. Da wir in der Regel an unterschiedlichen Projekten arbeiten, kommt es häufig zum Austausch. Ich habe dabei den Eindruck gewonnen, dass die ungezwungene Umgebung unter Gleichgesinnten einen überraschend produktiven Effekt hat. Das ist sowohl das “outside-the-box”-Denken für die Projekte der Mitbewohner, als auch der direkte Austausch von Wissen oder Fähigkeiten. Ein gutes Beispiel für diese Prozesse ist das Titelbild dieses Blogbeitrags. Als ich meine Idee für ein persönliches Resümee der letzten sechs Monate meinen Mitbewohnern Thanh und Jan vorstellte, schlugen sie mir vor dem Blogbeitrag mit dem Titelbild eine besondere, persönliche Note zu geben. Dadurch entstand die verspielte Idee eine Art Wimmelbild als Titelbild zu erstellen. Für die Umsetzung bekam ich außerdem praktische Unterstützung. Unsere neue, liebe Mitbewohnerin Kira [wird euch demnächst in einem separaten Beitrag vorgestellt ;)] hat einige Erfahrungen mit Bildbearbeitung und hat mir beim Erstellen des Titelbildes unter die Arme gegriffen. Das Titelbild dieses Blogbeitrags steht damit symbolisch für die gegenseitige Unterstützung und den Erfahrungsgewinn über die Grenzen unserer Projekte hinweg. Im Titelbild bin ich übrigens ganze sechs mal versteckt, habt ihr schon alle Ben’s gefunden? 😉

Ein Blick hinter die Kulissen

Was wäre ein Rückblick ohne ein paar spannende Insights aus der Smart WG. Natürlich lief auch bei uns nicht immer alles glatt. Deshalb möchte ich gern drei meiner persönlichen “Highlights” mit euch teilen.

Drohneneskalation

Erinnert ihr euch noch an den Beitrag zu meiner Mini-Drohne? So spaßig wie es in dem Beitrag aussah war es nicht die ganze Zeit. Das Fliegen mit meiner Drohne gestaltete sich nämlich abenteuerlicher als ich das vermutete. Die Aufnahmen von der Drohne innerhalb der Wohnung waren noch relativ leicht zu bewerkstelligen, auch wenn das kleine Ungeheuer das ein oder andere mal mit dem Türrahmen oder einem Schrank kollidierte. Interessanter wurde es, als wir das Titelbild aufnehmen wollten. Es schien mir eine tolle Idee zu sein auf unserem Balkon die Drohne zu starten. Und ich muss sagen mit dem so entstandenen Bild bin ich auch sehr zufrieden. Nur leider ließ sich die Drohne nicht mehr so leicht landen, wie ich anfangs dachte. Kurz nachdem das Foto aufgenommen wurde, schob eine Windböe die kleine Drohne über unseren Köpfen hinweg einige Meter neben den Balkon. Die verhältnismäßig schwachen Motoren haben es mir zunächst auch nicht erlaubt die Spielzeugdrohne gegen den Wind zurück zum Balkon zu steuern. Nach einigem Bangen und erschreckten Gesichtern von Jan und mir, gelang es mir schließlich die Drohne wieder Richtung Balkontür zu steuern. Allerdings mit dem Ergebnis, dass das Gerät mit voller Wucht vor die Hauswand flog, abstürzte und zwei seiner Rotoren verlor. Der Drohne geht es aber zum Glück gut und die Rotoren sind austauschbar, also haben wir da nochmal Glück gehabt. Aber was tut man nicht alles für ein gutes gutes Bild.

Hitze ohne Ausweg

Als in Deutschland, in diesem Sommer, die Thermometer über mehrere Wochen hinweg Temperaturen von über 30°C anzeigten, hatten wir in der Smart WG wirklich nichts mehr zu lachen. Da wir im Homeoffice arbeiteten, gab es kaum eine Möglichkeit der Hitze zu entfliehen. Selbst außerhalb des Gebäudes war es kaum zu ertragen. Der Blogbeitrag erschien also durchaus aus der Motivation heraus, etwas an unserer Situation zu ändern. Die Recherche war damit nicht ganz uneigennützig. Zu Spitzenzeiten war es in der Wohnung so heiß, dass wir alle gemeinsam in das Deutsche Historische Museum “flüchteten”, da das Museum wenigstens klimatisiert war. Es gibt sicher bessere Gründe in ein Museum zu gehen, aber bei der Gelegenheit möchte ich euch trotzdem gern das DHM empfehlen und zwar nicht nur wegen der angenehmen Raumtemperatur.

Glückspilz und Pechvogel

Berlin ist eine Stadt voller Menschen. Viele Menschen bedeutet viel Verkehr. Viel Verkehr bedeutet viele Autos. Genau darum geht es in meiner letzten Anekdote, um Autos. Genauer genommen um Stellflächen für Autos. Innerhalb Berlins braucht man nur sehr selten ein eigenes Auto, um von A nach B zu gelangen. Umso wichtiger ist aber ein sicherer Parkplatz für das eigene Gefährt. Wir haben das Glück unsere Autos direkt in der Straße parken zu können, das heißt, sofern ein Parkplatz frei ist. Im letzten halben Jahr hat sich dabei aber gezeigt, dass einige WG-Bewohner unverhältnismäßig wenig Glück bei der Parkplatzsuche haben. Meinen Mitbewohner Jan sollte ich wahrscheinlich nicht mehr auf dieses Thema ansprechen. Während ich regelmäßig, direkt vor der Haustür parken konnte und mir fast nie Sorgen um lange Laufwege machen musste oder darum mein Auto nicht im Blick zu haben, hat es Jan leider weniger Vgut getroffen. Die Male, die es ihm vergönnt war unter 200 Meter vom Eingang zu parken lassen sich an einer Hand abzählen. Eher war er gezwungen sein Auto mehrere Straßen entfernt abzustellen. Was soll ich sagen Jan, manche haben Glück, andere laufen gern. 😉

Mein Fazit

Bevor meine Zeit in der Smart WG begann, wusste ich ehrlich gesagt nicht, was ich erwarten sollte. Lediglich durch die Erzählungen von Thanh und Jan habe ich eine grobe Vorstellung bekommen. Nach über fünf Monaten vor Ort kann ich reinen Gewissens behaupten, dass es eine gute Entscheidung war. Ich konnte viele neue Erfahrungen sammeln und meine Fähigkeiten in Projektarbeiten ausweiten. Der größte Mehrwert für mich ist dabei der intensive Austausch mit meinen Mitbewohnern, der das ständige Dazulernen fördert. Mit Hinblick auf das startende neue Semester freue ich mich sehr auf die neuen Mitbewohner und darauf meine Erkenntnisse mit ihnen zu teilen.

Bleibt neugierig!
Ben

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